Kirchlicher Segen für neue Höhlenrettungswache in Mitterfelden

Einweihungsfeier mit befreundeten Einsatz-Organisationen und Gemeinde-Vertretern: Peter Hogger übergibt das Amt des Höhlenrettungschefs an seinen Stellvertreter Rudi Hiebl

AINRING/MITTERFELDEN (ml) – Die Geschichte begann, als 2011 der neue, wuchtige Materialanhänger für die Höhlenrettung an die Bergwacht ausgeliefert wurde und das Freilassinger BRK-Haus endgültig aus allen Nähten platzte. Vier Jahre und hunderte ehrenamtliche Arbeitsstunden später konnte die Bergwacht Freilassing nun im Mitterfeldener Feuerwehrhaus ihre in Eigenregie und mit vielen Sach- und Geldspenden ausgebaute Höhlenrettungswache den befreundeten Einsatz-Organisationen und geladenen Vertretern der Gemeinden präsentieren. Pfarrer Werner Buckel und sein katholischer Kollege Hans-Hermann Holm-elin spendeten den Rettern, ihrer Ausrüstung und ihrer neuen Wache den kirchlichen Segen. Mit Bürgermeister Hans Eschlberger hatten Bereitschaftsleiter Siegfried Fritsch und sein Team einen echten Partner gefunden, der die Ansiedlung der Höhlenrettungswache in der Industriestraße neben Technischem Hilfswerk (THW), BRK-Bereitschaft und Feuerwehr als eine große Bereicherung für seine Gemeinde Ainring unterstützt und den Ehrenamtlichen dauerhaft eine praxistaugliche Basis für ihre schwierigen Übungen und Einsätze in der alpinen Unterwelt arrangiert hatte. Höhlenrettungschef Peter Hogger übergab am Ende seiner Festrede sein zeitintensives Amt nach acht Jahren an seinen bisherigen Stellvertreter Rudi Hiebl, bleibt der Gruppe aber weiterhin als aktive Einsatzkraft erhalten.

Großeinsätze kamen dazwischen: Verspätete Einweihung
Die neue Wache ist bereits seit vergangenem Jahr in Betrieb und hätte eigentlich bereits im Herbst 2014 passend zum 90-jährigen Bestehen der Bergwacht Freilassing eingeweiht werden sollen. „Dann kamen uns aber die beiden Mega-Einsätze im Untersberg-Riesending und in der Jack-Daniels-Höhle im Tennengebirge und die viele Arbeit danach dazwischen“, erklärt Bereitschaftsleiter Siegi Fritsch. Die Halle im ehemaligen Supermarkt wurde in der Zwischenzeit Stück für Stück weiter ausgebaut: Ein von der Bergwacht neu eingebautes Rolltor führt in den Raum auf der Rückseite des Feuerwehrhauses, wo eine gemütliche, leicht beheizbare Almhütte für Nachbesprechungen neben Material-Regalen und dem ausgebauten Höhlenrettungsanhänger steht; an der Wand sind Waschbecken und Badewanne für Reinigungsarbeiten montiert, denn nach ihren Ausflügen in die Unterwelt sind die Höhlenretter fast immer von einer dicken Dreckschicht überzogen, die die Farben ihrer Schlatze meist nur noch erahnen lässt.

Gesegnete Kerze für tödlich verunglückte Höhlenretterin
Pfarrer Werner Buckel und sein katholischer Amtskollege Hans-Hermann Holm-elin sprachen in ihrer Predigt von den Bergen als Hürden im Leben und in der Bibel, wo sie auch immer in Zusammenhang mit einer Gotteserfahrung stehen: „Die Gipfelkreuze auf den Bergen sind das Kreuz Jesu, das unser Kreuz hält, damit wir nicht daran zerbrechen. Gott braucht uns, damit wir den Menschen helfen, als Bergwacht und Höhlenrettung – doch die Arbeit ist auch oft lebensgefährlich!“ Umso tragischer ist es, wenn den eigenen Kameraden etwas passiert: Bereitschaftsleiter Siegi Fritsch entzündete eine gesegnete Kerze für die heuer am 7. Juli durch einen Steinschlag in einer bisher namenlosen Höhle im Untersberg tödlich verletzte 45-jährige Forscherin und Höhlenretterin aus Salzburg, die noch ein Jahr zuvor im selben Berg an vorderster Front an der zwölftägigen Rettungsaktion im Riesending beteiligt war. „Wir segnen neben dem Gebäude und der Ausrüstung heute vor allem die Menschen, damit sie in Zukunft bei dieser wichtigen Arbeit nicht zerbrechen, beschützt sind und immer wieder gesund von ihren Übungen und Einsätzen zurückommen“, betonte Buckel.

Straße der Hilfsbereitschaft ist nun vollendet
Da die alpinen Gefahren des Högls eher wenig ausgeprägt sind, hätte Bürgermeister Hans Eschlberger bis vor kurzem nie daran gedacht, dass Ainring jemals ein Bergwacht-Standort werden könnte. Doch der Raum im neuen Mitterfeldener Feuerwehrhaus war für die Anforderungen der Höhlenretter ideal und der Bürgermeister setzte sich persönlich dafür ein, der Bergwacht in der Industriestraße als Straße der Hilfsbereitschaft, des Ehrenamts und der aktiven Bürgergesellschaft eine Basis für ihre Übungen und Einsätze in der Unterwelt zu ermöglichen. Eschlberger macht dabei keinen Hehl daraus, wie sehr ihn die Ansiedlung persönlich freut und wie er sie als große Bereicherung für seine Gemeinde Ainring empfindet: „Ohne den Einsatz unserer Ehrenamtler wäre unsere Gesellschaft arm dran, das wissen wir alle. Deshalb war es für mich nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern eine ehrliche Freude, dass wir als Gemeinde mit Zustimmung unseres Gemeinderats in diesem Gebäude das Fundament schaffen konnten für eine neue Heimat der Höhlenrettungsgruppe der Bergwacht-Region Chiemgau. Wir sind stolz darauf, den Höhlenrettern ein dauerhaftes, sicheres und zukunftsfähiges Quartier bieten zu können!“ Das Projekt war laut Eschlberger eine Verkettung vieler glücklicher Umstände: Dass die Gemeinde die Halle überhaupt kaufen konnte, dass aus dem Supermarkt eine Feuerwache gestaltet werden konnte, dass noch Platzreserven für die Bergwacht vorhanden waren und dass die Bergwacht mit viel Hirnschmalz, Muskelkraft, Fleiß und Ausdauer dann daraus eine Rettungswache bauen konnte. Stellvertretend für seine ebenfalls anwesenden Amtskollegen Gottfried Schacherbauer aus Freilassing und Thomas Weber aus Bischofswiesen wünschte er der Freilassinger Bergwacht immer genügend begeisterungs- und teamfähigen Nachwuchs und geeignete Menschen, die sich für das Spezialgebiet der Höhlenrettung ausbilden lassen und dann auch bereit sind, ihre eigene Gesundheit für die Rettung anderer Menschen einzusetzen.

Peter Hogger übergibt den Tropfstein-Zepter an Rudi Hiebl
Für einige Gäste überraschend, doch ohne jeden Unmut übergab der Regionalbeauftragte und Leiter der Höhlenrettung in Freilassing Peter Hogger am Ende seiner Festrede nach acht Jahren sein zeitintensives Amt an seinen bisherigen Stellvertreter Rudi Hiebl, dem er symbolisch als „Zepter der Macht“ einen abgebrochenen Tropfstein überreichte. Hogger berichtete den Gästen und Mitgliedern von den im Sommer 2007 über den mittlerweile verstorbenen Dr. Hubert Glässner eingeleiteten ersten Gehversuchen in Richtung Höhlenrettung, vom 2009 als neue Höhlenrettungswache erworbenen Status einer Bergrettungswache, vom stetigen Wachstum durch Erfahrung, Fortbildung und neue Ausrüstung, von den großen Rettungsaktionen und der Vollendung der neuen Rettungswache.

Am 28. August 2013 erfolgte die Alarmierung zum ersten scharfen Einsatz in der Lamprechtshöhle bei Lofer, 2014 dann die beiden großen Rettungsaktionen im Untersberg und im Tennengebirge. 2015 waren nach umfangreichen Spenden und staatlichen Zuschüssen alle einsatzbedingte Materialverluste der Bergwacht-Spezialeinheit wieder ergänzt. Rudi Hiebl hatte sich die Mühe gemacht und alle wichtigen Meilensteile der bisherigen, kurzen, aber oft sehr intensiven und ereignisreichen Freilassinger Höhlenrettungsgeschichte in einer eigenen bebilderten Festschrift zusammengefasst, die nun mit einer Auflage von 500 Stück gedruckt wurde. Hogger dankte seinen Freilassinger Höhlenrettern, den Legionären aus Berchtesgaden, Bergen und Marquartstein, allen befreundeten Organisationen, Gönnern und Sponsoren für die stets gute Zusammenarbeit und ihren Beitrag bei der Verwirklichung der Rettungswache: „In zahllosen Tag- und Nachteinsätzen waren unsere Leute mit Ideenreichtum und Fleiß am Werk – das Ergebnis kann sich sehen lassen!“

Wenn sie ihn nicht holen, dann holt ihn niemand
Die Rettung von Johann Westhauser dauerte zwölf Tage; sie war die längste Aktion in der alpinen Rettungsgeschichte. Beeindruckend las Hogger den Inhalt einer E-Mail an seine Leute vor, die er wie in einer düsteren Vorahnung auf den Riesending-Einsatz am 27. Mai 2014 um 3.47 Uhr, zwei Wochen vor dem Unfall, verschickt hatte: „Auch der Spaßfaktor ist ein tragendes Element bei der Sache, dennoch ist es keine Spaßveranstaltung. Es geht darum, gemeinsam was zu machen und sich gegenseitig besser kennenzulernen. Denn bei einem Rettungseinsatz werden diese Leute tief drinnen in der Höhle, bei Dunkelheit, Kälte, Nässe und Dreck, so lange rackern wie die Tiere, bis der Verletzte am Höhlenausgang ist. Wenn sie ihn nicht holen, dann holt ihn niemand. Das ist es, was wir brauchen!“

Lob und Anerkennung von Gästen aus Nah und Fern
In Grußworten und im persönlichen Gespräch dankten die geladenen Gäste der Gemeinden, der Bergwacht, der Höhlenrettung, der Bundeswehr, der Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks (THW), der BRK-Bereitschaft, des Deutschen Alpenvereins (DAV) und der Kreisverkehrswacht den Ehrenamtlichen der Bergwacht Freilassing für ihr außergewöhnliches Engagement als Höhlenrettungswache der Bergwacht-Region Chiemgau. „Angesichts dessen, was Ihr immer wieder leistet, haben wir im Landkreis fast schon ein wenig Bedenken, dass wir das Ehrenamt überfordern. Wenn Ihr uns braucht, könnt Ihr Euch auf jeden Fall an uns wenden, denn ihr helft auch uns“, lobte Landrat-Stellvertreter Rudi Schaupp mit großer Wertschätzung und erinnerte an die Berchtesgadener Landesstiftung, die die heimischen Bergwachten immer wieder großzügig fördert. Nils Bräunig, der Sprecher des Höhlenrettungsverbunds Deutschland (HRVD) und Referent für Höhlenrettung des Verbands der deutschen Höhlen- und Karstforscher (VdHK), zugleich aktiver Bergwachtmann und Höhlenretter, sprach Peter Hogger und seinem Team neidlose Anerkennung aus: „ Ihr habt innerhalb sehr kurzer Zeit eine schlagkräftige Gruppe aufgebaut und seid zu einer wichtigen Stütze der deutschen Höhlenrettung geworden!“ Die stellvertretende Landesleiterin der Salzburger Höhlenrettung, Monika Feichtner lobte die gute Zusammenarbeit und Kameradschaft. Die Höhlenrettungsgruppe Freilassing arbeitet seit ihren ersten Gehversuchen Hand in Hand grenzüberschreitend mit den österreichischen Kollegen zusammen. „Es ist ein gutes und beruhigendes Gefühl, Euch als Partner zu haben!“ Dem stimmte auch der Reichenhaller Bergwacht-Bereitschaftsleiter Nik Burger zu, dankte für die gute Zusammenarbeit im Einsatzleitbereich Saalachtal und überreichte eine Finanzspritze der Reichenhaller Kameraden; „Räumlich rücken wir mit Eurem neuen Standort wieder ein gutes Stück näher zusammen!“ Artur Hofmann, der Höhlenbeauftragte der Bergwacht im Hochland und Chef der nächstgelegenen bayerischen Höhlenrettungswache in Rosenheim, zeigte sich beeindruckt von der neuen Unterkunft, aber vor allem auch von der Leistungsfähigkeit der Freilassinger: „Ihr habt unsere Erwartung weit übertroffen; wir hätten nie gedacht, dass so weit im Südosten eine so starke Wache aufblühen wird.“

Verfasser: Markus Leitner

Workshop gibt Einblicke in die großen Einsätze der letzten beiden Jahre

Zwölf Vertreter aus drei Bundesländern – Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern – trafen sich zum Workshop des Höhlenrettungsverbund Deutschland (HRVD) vom 9. bis 11. Oktober 2015 in Gelbsreuth in der Fränkischen Schweiz. Das Treffen stand ganz im Zeichen der Nachbetrachtung und Auswertung der gemeinsamen großen Einsatzübungen und der zum Teil sehr aufwändigen Einsätze der vergangenen beiden Jahre.

Freitagabend und Samstagvormittag standen Vorträge der Höhlenretter aus Südbayern über den Rettungseinsatz im Riesending im Mittelpunkt. Die jeweils folgende Diskussion zeigte auf, dass trotz der medialen Informationsvielfalt einige Details unbekannt waren oder auch falsche Informationen vorlagen.

Am Samstag hatten die Vertreter der Höhlenrettungsgruppen dann Gelegenheit, verschiedene Fragestellungen zu erörtern und die Erfahrungen aus Übungen und Einsätzen der eigenen Gruppe darzustellen. Der Rückblick sollte dabei die letzten zehn Jahre umfassen, in denen im zweijährigen Turnus ab 2005 auch fünf umfangreiche nationale Rettungsübungen durchgeführt wurden: in einer Höhle bei Steinamwasser in Nordbayern, in der Falkensteiner Höhle bei Bad Urach in Baden-Württemberg, in der Schwarzen Crux bei Suhl in Thüringen, in der Schwinde C bei Breitscheid in Hessen und zuletzt in der Großen Spielberghöhle am Samerberg in Südbayern.

Gerade anhand der Rückmeldungen aus den Einsätzen zeigte sich, dass sowohl die Ausbildung – technisch und medizinisch – als auch die Ausrüstung stetig weiterentwickelt werden muss. Von den Einsätzen in der Falkensteiner Höhle berichteten die Malteser Höhlenrettung und die Höhlenrettung Baden-Württemberg, vom Rettungseinsatz in der Jack-Daniels-Höhle die südbayerische Höhlenrettung.

Die nationalen Übungen wurden in der Intensität deutlich gesteigert bis hin zum mehrtägigen Rettungsablauf mit komplexen Aufgabenstellungen insbesondere für die Einsatzleitung. Bei Übungen lassen sich Mängel beheben oder notfalls auch ausblenden, bei Einsätzen geht das nicht.

So braucht zum Beispiel die Rettungstrage der bayerischen Höhlenretter dringende Verbesserungen wie durchgehend Trageschlaufen rund um die gesamte Trage, eine verbesserte Aufhängung und robustes Material mit entsprechender guter Verarbeitung. Wichtiges Thema war auch immer wieder die Kommunikation innerhalb der Höhle, die mit Telefonleitungen oder Langwellenfunk betrieben wird. Insbesondere das System Cavelink wurde beschafft und die notwendige Ausbildung damit intensiviert.

Besonders markant haben sich für die bayerischen Höhlenretter die Rahmenbedingungen für die ehrenamtliche Arbeit verändert. Seit 2009 ist die Berg- und Höhlenrettung Aufgabe der Bergwacht Bayern, was zwar den finanziellen und einsatztaktischen Rahmen enorm verbessert, aber die Zusammenarbeit mit den Höhlenforschervereinen für Übungen und Einsätze erschwert. Hier wird man aktiv an einer zukunftsfähigen Lösung arbeiten müssen.

Die Untertagerettung der Bergwacht Harz berichtet, dass durch den diesjährigen Einsatz am Kyffhäuser die Akzeptanz gestiegen ist und man auch auf eine gesicherte Finanzierung im Rahmen des Rettungsdienstgesetzes hofft.

Für die Höhlenrettung ein wichtiges Thema ist der Nachwuchs bei den Einsatzkräften. Mit dem Ausbildungsstand und den Aktivitäten in den heimischen Gruppen waren alle Vertreter zufrieden. Allerdings konnten nicht alle über die Mitgliederzahl mit Zufriedenheit berichten: von stabil hohen Mitgliederzahlen, stetigem Wachstum bis zu sehr kleinen Gruppen zeigt sich ein gemischtes Bild, manche sehr kleine Gruppe wäre schon bei kleinen Einsätzen auf Unterstützung aus dem HRVD angewiesen. Insbesondere der sehr kleine Pool an höhlengängigen Ärzten muss dringend erweitert werden.

Der Sonntag wurde dann zur Ergebnissicherung genutzt und in den verschiedenen Bereichen wurden Arbeitsaufträge erteilt.